Kriegserinnerungen aus meiner Schulzeit

 

Im Jahre 2005 veröffentlichte die Verlagsgruppe der Kreiszeitung nach 60 Jahren Kriegsende mehrere Augenzeugenberichte, darunter auch welche von Bernhard Lehnhof aus Austen, der in Hölingen aufwuchs. Seine Berichte werden hier in fünf Episoden zu lesen sein.

Austen, den 1. März 2005

 

Ich, Bernhard Lehnhof, bin am 4. März 1932 in Hölingen geboren und bei meinem Großvater Heinrich Meyer in Hölingen aufgewachsen. Vom 1. April 1938 bis zum 31. März 1947 besuchte ich die Volksschule in Beckstedt. Mein Lehrer war Wilhelm Wollenweber bis April 1945. Von Oktober 1945 an war Willi Krüger als Lehrer an der Schule in Beckstedt tätig.

 

Schulausflug zum Bombenkrater (1. Episode)

Etwa  im Sommer 1941 kamen bei uns die ersten feindlichen Bomber und griffen Bremen an. Es waren vorerst zweimotorige englische Kampfbomber. Sie flogen nur nachts und einzeln und sollten Bremen bombardieren, kamen dann aber in die starke deutsche Fliegerabwehr. Die meisten Flugzeuge erreichten Bremen gar nicht und warfen ihre Bomben einfach ziellos ab. Dabei wurde am 15. Juli 1941 das Gehöft von Willi Runge in Reckum getroffen. Es brannte ab, und die Feuerwehr Colnrade kam zum Einsatz.

So war es dann auch bei uns. Es wurde Fliegeralarm gegeben und schon hörten wir das Motorengeräusch des Flugzeugs. Es war an einem Abend gegen 21.00 Uhr. Mein Großvater, meine Cousine Linchen und ich standen am Kammerfenster und sahen, wie die Scheinwerfer ein Flugzeug im Fadenkreuz hatten. Dann war auf einmal ein Heulen in der Luft und dann eine Detonation. "Legt euch schnell hin", rief mein Großvater, und ein großer Bombensplitter sauste bei uns ins Hausdach.

Am anderen Morgen sahen wir die Bescherung. Etwa 300 m von unserem Haus entfernt waren zwei Bomben auf einem Acker niedergegangen, davon war eine ein Blindgänger. Etwa 500 m von uns, direkt neben dem Mittelweg, waren zehn Bomben auf einem Acker eingeschlagen.

Der Blindgänger wurde durch ein Bombenräumkommando entschärft, und mein Großvater schleppte ihn mit unserem Schimmel hinter unsere Scheune. Da hat er etwa 14 Tage gelegen und konnte besichtigt werden. Auch die Schüler der Volksschule Beckstedt sind dort gewesen. In den Bombentrichtern haben wir in den kommenden Tagen gespielt und Bombensplitter gesammelt, die wir dann als Altmaterial mit zur Schule nahmen.


Hatten Glück, als 300 m neben ihrem Haus zwei Bomben niedergingen:
Bernhard Lehnhof und seine Cousine Linchen neben einem entschäften Blindgänger

Russische Gefangene haben dann die Bombenkrater wieder mit Erde auffüllen müssen. Ab nun mussten wir auf Anordnung meines Großvaters bei jedem Vollalarm den Keller aufsuchen.

Die Fliegerangriffe fanden bis 1944 immer nur nachts oder abends, wenn es dunkel war, statt. Am Tage trauten sich die feindlichen Flugzeuge nicht, denn die deutsche Luftwaffe war zu dieser Zeit noch sehr stark, und es wurden viele englische Flugzeuge abgeschossen. Die höchsten Verluste hatten unsere damaligen Feinde an einem Tag im März 1943. Es sind 113 feindliche Flugzeuge abgeschossen worden. Allein im Gebiet der Dehmse lagen drei Flugzeuge.

Als Kinder waren wir oft nachmittags unterwegs und suchten die Absturzstellen auf. Mit Patronengurten auf den Schultern sind wir dann zurück gekommen. Einmal fanden wir einen Stiefel, wo der Fuß noch drin steckte. Er war einem englischen Soldaten während des Absprungs abgerissen worden. Der Soldat wurde schwer verletzt in Kieselhorst aufgefunden, aber er hatte es überlebt.

In Hölingen lag ein viermotoriger Bomber in mehreren Stücken zerrissen auf einem Acker. Zwei tote Soldaten lagen in unmittelbarer Nähe daneben. Die anderen Besatzungsmitglieder konnten sich durch Fallschirmabsprung retten. Auch zwei deutsche Jagdflugzeuge sind in unserer Gegend abgestürzt, wobei sich die beiden Piloten mit dem Fallschirm retten konnten. Ab Frühjahr 1944 wurden auch am Tage Luftangriffe durchgeführt. Die Schulkinder wurden in Beckstedt in den einzelnen Häusern verteilt. Bei jedem Voralarm (drei Heultöne) sollten wir den Klassenraum verlassen und die Bunker oder Keller aufsuchen. Der Keller meiner Klasse war immer bei Deterings in Beckstedt, wo wir dann auf der Straße spielten. Herr Wollenweber ging von einem Bunker oder Keller zum anderen, um zu sehen, ob seine Kinder auch alle den Keller aufgesucht hatten. Einer von uns stand immer Wache und paßte auf den Lehrer auf, dann der Ruf:
„Herr Wollenweber kommt.“
Mit einem Schlag waren wir dann von der Straße verschwunden und fanden uns im Keller wieder.

Im Sommer 1943 fiel in Reckum die erste Luftmine. Auch dorthin wanderten wir mit unserer Schulklasse.

An einem Tag, es war auch Fliegeralarm, und wir spielten auf der Straße bei Deterings. Ein lautes Motorengeräusch war zu hören, und wir schauten nach oben. Ein viermotoriger Bomber flog sehr tief über uns hinweg in Richtung Colnrade. Wir meinten, er würde noch vor Colnrade abstürzen, aber er flog bis Aldrup und vollbrachte dort eine Notlandung auf einer Weide.

Am anderen Tag machten wir mit der Schule eine Wanderung nach Aldrup, um das Flugzeug zu besichtigen. Es lag völlig erhalten mit dem Rumpf auf dem Boden, nur die Propeller waren verbogen. Deutsche Soldaten hatten das Grundstück abgesichert, aber wir durften das Flugzeug bestaunen, ja die Soldaten halfen uns sogar auf die Tragflächen, und wir konnten in die Kabine schauen. Am folgenden Tag, noch bevor das Flugzeug durch unsere Soldaten abgebaut worden war, wurde es durch englische Tiefflieger in Brand geschossen.

1944 wurde die deutsche Luftabwehr immer schwächer, und die englischen Tiefflieger hatten fast keinen Gegner mehr. An allen Straßen waren Splittergräben ausgehoben worden, die wir beim Herannahen eines Flugzeugs aufsuchen sollten. Jeden Tag standen Nachrichten in der Zeitung von Tieffliegerangriffen auf die Zivilbevölkerung.

Auch auf Kriegsgefangene wurde geschossen. Der französische Kriegsgefangene Julius, der bei unserem Nachbar Dießelberg beschäftigt war, ließ einmal seine Pferde vor der Egge auf dem Felde stehen, lief zum Haus und sprang mit einem Satz in das offene Küchenfenster. Auf ihn war während seiner Feldarbeit geschossen worden.

 

Kinderspiele mit einer Handgranate (2. Episode)

 

 


zurück nach oben

 

-